Menu Content/Inhalt
DIN1055.de arrow DIN 1055-5 arrow Schneelast feldweise ansetzen?

An-/Abmelden






Passwort vergessen?
Schneelast feldweise ansetzen?
Montag, 03 Dezember 2007
Vor ca. einer Woche bekamen wir eine interessante Anfrage: Muss die Schneelast, da sie eine Nutzlast im Sinne von DIN 1055-3 ist, feldweise berücksichtigt werden? DIN1055.de veröffentlicht den Schriftverkehr mit der Bitte um weitere Meinungen.

Schnee feldweise nach DIN 1055-3:2006-03



Hallo,

ich gehöre (leider) zu denjenigen, die die neuen Normen nicht nur anwenden müssen, sondern auch noch andere darin schulen müssen, diese anzuwenden. Dabei bin ich auf die folgende Frage gestoßen, die mir bisher keiner beantworten konnte:

Muss die Schneelast feldweise aufgebracht werden, wie dies auch mit den Nutzlasten nach DIN 1055-3 geschieht? Muss ich also davon ausgehen, dass ein Teil eines Daches frei von Schnee ist, während auf dem Rest der Schnee in voller Höhe anzutreffen ist? Es gibt durchaus logische Fälle, wo dieser Fall auftreten könnte, z.B. dann, wenn ein Teil eines Daches im Schatten ist und deshalb der Schnee dort weniger schnell taut. Es kann auch durch Windeinfluss ein Teil des Daches von Wind befreit werden. Ein feldweise Belastung würde zu einer Vielzahl von Lastfällen führen, die miteinander kombiniert werden müssen. Für Hinweise zu dem Thema in den Normen oder sonstige Anregungen Ihrerseits wäre ich dankbar.

Gruß

A. Boomkamp

Hallo Herr Boomkamp,

bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie warten lies; ich wollte mich schlichtweg absichern und meine Aussagen belegen. Ihre Fragen sind berechtigt, gute Quellen sind rar. Vielleicht helfen die nachstehenden Ausführungen für Ihr Verständnis weiter. Vorab kann ich bereits "Entwarnung" geben: Sie müssen die Schneelast nicht feldweise aufbringen.

Die Normenreihe behandelt den Schnee in den Teilen -3, -5 und -100. Zunächst zum allgemeinen Teil. Nach DIN 1055-100:2001-03, 3.1.2.5 (S.6) ist Schnee - ebenso wie Wind - als "zeitlich veränderliche Einwirkung" einzustufen. Kranbahnen, Brücken, Wind- und Schneelasten gelten außerdem als "freie" und "unabhängige" Einwirkung im Sinne von Abschnitt 3.1.2.7 bzw. 3.1.2.10. Die unahbängigen Einwirkungen sind im Anhang A (ab S.29) gelistet. Nutzlasten müssen nach DIN 1055-3:2006-03 feldweise berücksichtigt werden.

Dieser Ansatz ist am Beispiel eines mehrgeschossigen Bürogebäudes leicht nachvollziehbar. Niemand kann und will dem Bauherren vorschreiben, in welchem Zimmer er seine Akten (hohe Verkehrslast, örtlich konzentriert) zu lagern oder ob er sie gar auf alle Räume gleichmäßig zu verteilen hat. Kaum ein Nutzer nimmt Rücksicht auf den Verlauf der Tragglieder (Unterzüge, tragende Wände etc.).  Individuelle Flexibilität ist hier gewünscht und notwendig; die Norm schafft klare Vorgaben.

Es ist durchaus vorstellbar, dass in einem Feld (Raum) die volle Verkehrslast tatsächlich wirkt, da alle Mitarbeiter gleichzeitig - nämlich zur üblichen Bürozeit - anwesend sind, während das Feld nebenan mit keinerlei Nutzlasten beaufschlagt wird: Das Zimmer steht zufällig leer, es sind in diesem Feld nur die ständigen Lasten der Konstruktion vorhanden. Im Lastbild entspräche dies einem "Sprung" der Nutzlast von Vollast auf Null (oder umgekehrt) exakt über dem Auflager.

Ein solcher Versprung ist bei Schnee innerhalb einer Fläche nicht möglich, der Belastungswert wechselt nicht schlagartig. Schnee wird angehäuft oder verweht, nicht abgeschnitten. Eine ungünstige, exakt feldweise Verteilung auf die einzelnen Felder eines Durchlaufträgers kann sich demnach nie einstellen; um der natürlichen "Häufchenbildung" des Schnees Rechnung zu tragen, müssten hier trapezförmige Streckenlasten angesetzt werden - nur wie? Soll die Steigung vor oder direkt an der Achse eines Zwischenauflagers beginnen?

Die von Ihnen genannten Situation sind realistisch. (Dauerhafte) Verschattung, Abschmelzen und/oder Windeinfluss können die Annahme einer gleichmäßigen Verteilung nachteilig beeinflussen. Kapitel 4.2.1 in DIN 1055-5:2005-07 bezieht die Schneelast lotrecht auf eine waagrechte Fläche wirkend. (Es ist davon auszugehen, dass es überall auf der betrachteten Fläche zunächst einmal gleich stark schneit. Die Entstehung der Belastung ist demnach ebenfalls gleichmäßig.) Ab S.7 der Norm werden verschiedene Dachformen behandelt.

Ein wichtiger Hinweis findet sich beim Satteldach (Kap. 4.2.3 auf S.8). Der Text unterhalb von Bild 4 - der hier leider nicht zitiert werden darf - beinhaltet bereits eine Antwort: Es genügt, die Last jeweils auf einer Seite zur Hälfte, auf der anderen Dachseite voll anzusetzen, sofern das Tragwerk empfindlich auf ungleich verteilte Lasten reagiert. Damit wären die Einflüsse von Verwehen und Abtauen ausreichend berücksichtigt. (Es entzieht sich meiner Vorstellungskraft, wie für das Sheddach mit geneigten Fensterbändern auch noch eine feldweise Unterteilung vorzunehmen wäre.)

Sämtliche Lastbilder in DIN 1055-5 stellen Schnitte durch die Längswände dar, nirgends ist ein Schnitt in Querrichtung zu finden. Dieser wäre jedoch für mein Verständnis zwingend erforderlich, sollte eine Unterscheidung stattfinden. An keiner weiteren Stelle ist zu lesen: "Auf den feldweisen Ansatz darf im Lastfall Schnee verzichtet werden." Allerdings findet sich ebensowenig ein Satz wie: "Schneelasten müssen feldweise angesetzt werden." Erfahrungsgemäß kann die Norm hier - mit behutsamer Vorsicht - dergestalt interpretiert werden: Was nicht ausdrücklich gefordert wird, darf entfallen.

Wie eingangs erwähnt, ist Literatur Mangelware. In den "Empfehlungen Zur Anwendung von DIN 1055" vom "Industrieverband für Bausysteme im Metallleichtbau" (IFBS, www.ifbs.de) im Anhang (pdf, Stand: 09/2007) dieser E-Mail ist auf S.2 zu lesen:

"Kiesschüttungen dürfen im Regelfall als flächige Last (wie Schnee) betrachtet werden und brauchen nicht feldweise veränderlich angesetzt werden." [Quelle (pdf)]

Dies ist nicht die einzige schriftliche Quelle. Auch Prof. Dr.-Ing. Peter Gebhard, der das zweite Kapitel im nachstehenden Zitat bearbeitet hat, äußert sich ähnlich.

"Bei biegesteif durchlaufenden Bauteilen mit konstantem Querschnitt darf die Schneelast als Gleichlast über alle Felder angesetzt werden (nicht feldweise veränderlich). Dagegen ist bei anderen statischen Systemen auch eine halbseitige Belastung mit halber/voller Schneelast zu untersuchen, siehe DIN 1055-5 (2005) Bild 4 b) und c). Dies wird beispielsweise maßgebend für die Gelenkkräfte beim Dreigelenkrahmen, für bestimmte Stäbe in Fachwerkträgern usw. Der Ansatz unterscheidet sich von der früheren Regelung "einseitg halbe Schneelast"."
[Quelle: Bucak/Seiler (Hrsg.): Praxisbeispiele für Einwirkungen nach neuen Normen, Bauwerk Verlag GmbH, Berlin 2007, S.34.]

Die Schneelast muss also nicht feldweise angesetzt werden.

Abschließend habe ich zwei Bitten:

1. Geben Sie mir kurz Nachricht, ob Ihnen diese Erläuterungen geholfen haben.
2. Vermutlich befassen sich zahlreiche andere Anwender mit einer ähnlichen Fragestellung. Damit das Rad nicht neu erfunden werden muss, möchten wir Ihre Frage gerne demnächst auf DIN1055.de - wenn Sie möchten, gerne anonym - veröffentlichen. Hierfür ist allerdings Ihr Einverständnis erforderlich.

Herzlichen Dank!

F. Müller
DIN1055.de


Hallo Herr Müller,

vielen Dank für Ihre Antwort.

Sie hat mich sicherlich weitergebracht aber die Frage für mich nicht endgültig beantwortet. Ich denke, dass man bei einem Bauvorhaben, das sehr empfindlich auf eine feldweise aufgebrachte Last reagiert am besten im Vorfeld mit dem Prüfer spricht, denn der muss ja die Übereinstimmung der statischen Berechnung mit den geltenden Normen am Ende bestätigen. Bei einem Fall, wo keine eindeutige Regelung in der Norm vorhanden ist, hängt es doch zuletzt davon ab, wie sich Aufsteller und Prüfer einigen.

Dass Sie den für das Satteldach dargestellten Fall mit voller Schneelast auf der einen Seite und halber Schneelast auf der anderen zur Erklärung herbeiziehen klingt für mich sehr schlüssig. Es ist aber natürlich richtig, dass jeder Lastansatz, der von der gleichmäßigen Belastung abweicht einen großen Aufwand bei der statischen Berechnung nach sich zieht und schon bei einfachen Gebäuden eine Handrechnung beinahe unmöglich macht. (Wobei das den Erstellern der neuen Normen anscheinend egal ist).
 
Die von Ihnen als Anhang gesendeten Auslegungen in den Empfehlungen des Industrieverband für Bausysteme im Metallleichtbau halte ich teilweise für bedenklich. So kann ich nicht darin übereinstimmen, dass eine Kiesschüttung nicht feldweise aufzubringen ist, denn genau dieser Fall tritt tagtäglich auf. Der Dachdecker, der die Kiesschüttung aufbringt, fängt in einer Ecke des Gebäudes damit an und arbeitet sich langsam voran. Somit ist im Bauzustand nur ein Feld belastet. Ich würde also als Aufsteller auf jeden Fall eine feldweise wirkende Last ansetzen. Kein Dachdecker wird sich bereit erklären, die Kiesschüttung auf dem Dach Centimeter für Centimeter aufzubringen, da es für ihn bedeuten würde, dass er mit der Schubkarre ständig über den schon aufgebrachten Kies fahren muss. Das beschädigt die Dachhaut und ist sehr mühsam. Den Teilsicherheitsbeiwert für die Kiesschüttung von 1,35 habe ich auch in anderen Auslegungen schon gesehen und kann ihn durchaus logisch nachvollziehen.

Ich werde in Zuknft meinen Studenten folgendes beibringen:
Ob die Schneelast feldweise aufgebracht werden muss oder nicht ist in den Normen nicht explicit geregelt. Da die Norm einen feldweisen Ansatz nicht vorschreibt, ist der Ansatz über mehere Felder zulässig. Bei größeren Bauwerken (die auch geprüft werden), die empfindlich auf eine feldweise aufgebrachte Last reagieren, ist es sicherlich sinnvoll, im Vorfeld abzuklären, ob der Prüfer mit einem flächigen Ansatz einverstanden ist.

Zu Ihren Fragen am Ende:
1. Ihre Erläuterungen haben mich auf jeden Fall weiter gebracht. Eine endgültige Beantwortung der Frage kann aber nur ein wirkliches Gutachten oder eine Stellungnahme des DIBT bringen, da es anscheinend an keiner Stelle der Norm nähere Informationen zu meiner Frage gibt.
2. Natürlich dürfen Sie unseren Schriftverkehr gerne auch veröffentlichen. Es würde mich in diesem Zusammenhang auch nicht stören, wenn mein Name erwähnt würde, da ich dann vielleicht noch weitere interessante Antworten von diskusionswilligen Ingenieuren/Prüfern erhalte.

Vielen Dank

A. Boomkamp


Hallo Herr Boomkamp,

Ihre Bedenken sind nachvollziehbar. Es ist sicher eine halbwegs praktikable Lösung, sich mit dem Prüfer vorher abzusprechen - selbst, wenn dann aufgrund unterschiedlicher Interpretationen von Fall zu Fall verschieden vorzugehen ist. Leider ist die Umsetzung an dieser Stelle, wie man so schön sagt, "Ansichtssache", die häufig zu langatmigen Diskussionen führt. Weiterhin bleibt offen, wann genau das Tragwerk als "empfindlich gegenüber ungleich verteilten Lasten" im Sinne von DIN 1055-5 einzustufen ist.

Das IFBS schreibt a.a.O.:

"Kiesschüttungen dürfen im Regelfall als flächige Last (wie Schnee) betrachtet werden und brauchen nicht feldweise veränderlich angesetzt werden. Abweichende Lagerungen der Kiesschüttung z. B. im Zuge von Reparaturmaßnahmen am Dach sind im Einzelfall gesondert zu prüfen."

Aus meiner Sicht wird versucht, hier die Dauer der Belastung zu berücksichtigen (vgl. Holzbau oder "vorübergehende Zustände" in Kap. 7.2, DIN 1055-4). Ich lese aus "... z. B. im Zuge von Reparaturmaßnahmen..." auch den Bauzustand heraus, da er ebenfalls eine "abweichende Lagerung" darstellt. Im Verhältnis zur Lebensdauer von 50 Jahren, auf die das Gebäude ausgelegt ist, sind Montage- und Reparaturzustände üblicherweise recht kurzlebig. Allerdings wollte ich darauf nicht zu tief eingehen, Ihre Anfrage betrifft hauptsächlich den Schnee. Vielleicht war o.g. Quelle hierfür nicht allzu glücklich gewählt.

Einzig eine Stellungnahme an das DIBt oder eine Auslegungs-Anfrage an das DIN könnten eine verlässliche Antwort liefern, da haben Sie völlig Recht. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dies bis zu einem Jahr an "Bearbeitungszeit" in Anspruch nehmen kann; oft eilen die "Regeln der Technik" dem "Stand der Normung" voraus. Dem konservativen Ansatz, die Last feldweise veränderlich anzusetzen, steht ein enormer Rechenaufwand gegenüber. Es bleibt zu hoffen, dass schnell eine verbindliche, einheitliche und für die tägliche Praxis brauchbare Lösung gefunden wird. Wieder einmal gewinnt die Urteilsfähigkeit des sachkundigen Ingenieurs durch unklare Regelungen an Bedeutung.

Ich freue mich auf weitere anregende Beiträge.

F. Müller
» Keine Kommentare
Es gibt bisher noch keine Kommentare.
» Kommentar schreiben
Nur registrierte Benutzer können Kommentare schreiben. Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich ('Anmelden' im Hauptmenü).
 
< zurück   weiter >
designed by www.madeyourweb.com